Taufe

Personen: Claudia Seegerer und Johanna Kleinschmied im Bistro vom Biomichl in Weilheim

J: Du, schau mal zum Obst hinüber, da siehst du meine junge Nachbarin stolz ihr erstes Kind zum Ausgang schieben.

C: Es ist ein Junge, hast du mir letztens gesagt.

J: Richtig. Florian heißt er, und ist ein total süßes Kerlchen.

C: Du, und ich bin seit Samstag vergangener Woche Taufpatin von einem Mäderl. Leonie heißt es, und wurde in Augsburg getauft.

J: Ja sag, gratuliere!

C: Danke. Du, die Leonie ist ein ganz wunderbarer kleiner Engel, den ich, als ich ihn vor einem halben Jahr zum ersten Mal sah, augenblicklich in mein Herz geschlossen habe.

J: Ja, Claudia, was wäre unsere Welt ohne diese kleinen Engel?

C: Das will ich mir gar nicht vorstellen und auch nicht überlegen, Johanna. Aber Leonies Taufe hat mich sehr bewegt. Zunächst einmal, weil die Kleine das Geschehen um sich herum fortwährend aufmerksam beobachtet hat und weil sie sich schließlich ohne irgendeinen Mucks vom Pfarrer dreimal mit seiner vom Taufwasser feuchten Hand über den Kopf streichen ließ. Ganz anders bewegten mich allerdings die Worte des katholischen Geistlichen im Verlauf der fast einstündigen Taufzeremonie.

J: War es die erste christliche Taufe, bei der du dabei warst?

C: Ja. Du, vielleicht haben mich deshalb seine Worte so sehr gestört. Mit der Taufe, sagte er also u.a., wird Leonie in eine Gemeinschaft aufgenommen, die sie auf einen guten Weg führen wird, die ihr Rückhalt bietet und immer für sie da sein wird. Sie wird Mitglied einer Gemeinschaft, die das Gute in sich trägt, verbreitet und fördert.

J: Ein katholischer Geistlicher kann vermutlich nicht anders reden, Claudia.

C: Versteh ich einerseits, Johanna. Aber dennoch hat die Taufe von Leonie einen Schatten bei mir hinterlassen. So ein katholischer Geistlicher weiß doch in aller Regel, wie viel Negatives von seiner Glaubensgemeinschaft bisher ausgegangen ist, und er weiß, dass nicht zuletzt die Katholiken die gewaltigen Probleme der Gegenwart ausgelöst haben, dass also die katholische Kirche keine gute Andockstelle für ein junges Leben und somit auch keine gute Ausgangsbasis für meinen kleinen Engel ist.

J: Das ist leider nicht zu widerlegen, Claudia. Aber wem sollen Eltern heute ihr Kind anvertrauen? Die Religionen auf dem Erdball haben doch alle ihre Schattenseiten. Und wenn man ein Kind ohne Verbindung zu einer Gruppe aufwachsen lässt, überfordert man es möglicherweise.

C: Sehe ich im Grunde auch so, Johanna. Ich meine halt, dass die christlichen Glaubensgemeinschaften sich schnellstmöglich wandeln müssen. Sie sollen endlich in sich gehen und sich vor allem von ihrer Kernbotschaft »Macht euch die Erde untertan!« trennen bzw. sie ändern in: »Fügt euch in die Erde ein!«.

J: Die Christenheit versucht das ja seit einiger Zeit, Claudia. Allerdings viel zu unentschlossen, und so wirkt sie immer noch wie festgefahren.

C: So ist es leider, Johanna. Ja, Johanna, ich kann also meinem Patenkind nur wünschen, dass die Christen bald von ihrem heiligen Geist erleuchtet werden und sich in die Natur einfügen, und dass sie dieses Verhalten als ihre neue Kernbotschaft in alle Welt tragen.

J: Da bin ich ganz bei dir, Claudia.

Guggera

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