Das Sterben der Krankenhäuser

Meist mehrmals in der Woche gehen bei uns Pressemitteilungen der »Aktionsgruppe Schluss mit dem Kliniksterben in Bayern« ein. Einen Teil davon haben wir hier auf der OHA-Homepage veröffentlicht.

Aber auch die Mitteilungen, die wir nicht gebracht haben, sind für uns sehr interessant, so z. B. die Pressemitteilung vom 19. Februar 2024 mit der Überschrift: Gefährdung des Krankenhauses Oberstdorf – Landkreis und Klinikträger gefordert. Durch all diese Meldungen haben wir erst einen Eindruck davon bekommen, in wie vielen Landkreisen Bayerns Kliniken geschlossen wurden oder werden sollen.

Hier eine Grafik dazu von der Aktionsgruppe:


Die Schließungen von Schongau (1.3.2024) und Selb (1.4.2024) stehen bereits fest.

Und dann gibt es auch noch Krankenhäuser wie das in Garmisch-Partenkirchen, bei dem laut Presseberichten vom 15. Februar und vom 22. Februar zwar noch nicht von Schließung gesprochen wird, aber bei 12 Millionen Defizit im Jahr 2023 die Lage äußerst kritisch ist.

Das Krankenhaus Schongau ist noch bis Ende Februar 2024 – ab jetzt also nicht einmal mehr eine ganze Woche – geöffnet. Dadurch dass die Notaufnahme abends und an den Wochenenden aber schon seit einiger Zeit geschlossen ist, haben Menschen aus unserem Umfeld schon mal die Erfahrung mit umliegenden, jetzt schon überlasteten Krankenhäusern machen dürfen.

Da wird Patienten mit Schmerzen unbekannter Ursache schon einmal gesagt, sie hätten es doch erst einmal mit einer Schmerztablette versuchen und nicht gleich in die Notaufnahme kommen sollen. Dann gibt es im Stress auch noch Fehldiagnosen – Hilfesuchende werden wieder heimgeschickt. Diese Patienten bekommen dann die für sie wichtige medizinische Behandlung erst deutlich später.

Auch bei akuten lebensbedrohlichen Notfällen, wie z. B. einem Herzinfarkt, ist immer wieder einmal erst nach längerer Suche ein freies Intensivbett zu finden.

Die Aussage, die umliegenden Krankenhäuser hätten jederzeit die Kapazitäten, die Patienten zu versorgen, die bisher das Krankenhaus Schongau aufgesucht haben, erweist sich somit jetzt schon als nicht zutreffend.

Renate Müller, Schongau


Die »Aktionsgruppe Schluss mit dem Kliniksterben in Bayern» ist auch Mitglied beim bundesweit agierenden »Bündnis Klinikrettung« . Das »Bündnis Klinikrettung« hat sich im Jahr 2020 auf Initiative von Krankenhauspersonal und anderen politisch aktiven Menschen gegründet, die sich für den flächendeckenden Erhalt der stationären klinischen Versorgung einsetzen. Das »Bündnis Klinikrettung« ist – vor allem angesichts der Erkenntnisse aus der Corona-Pandemie – davon überzeugt, dass die aktuelle Anzahl der Krankenhausbetten unverzichtbar ist und nicht weiter reduziert werden darf.

Hier die letzte Pressemitteilung des »Bündnis Klinikrettung«:

Der erste verheerende Schritt zu massenhaften Klinikschließungen
Vermittlungsausschuss
winkt Krankenhaustransparenzgesetz durch

In der Sitzung des Vermittlungsausschuss am 21. Februar 2024 haben sich Bund und Länder über das sogenannte Krankenhaustransparenzgesetz geeinigt. Das Bündnis Klinikrettung kritisiert die Entscheidung.

Laura Valentukeviciute, Sprecherin vom »Bündnis Klinikrettung«:
„Minister Lauterbach sucht Mittel und Wege, um die Krankenhauslandschaft umzukrempeln und die Zahl der Kliniken zu reduzieren. Das Gesetz ist Teil seiner Strategie, und mit der Einigung im Vermittlungsausschuss ist nun der erste verheerende Schritt getan. Damit kann Lauterbach die Krankenhäuser den umstrittenen Leveln zuordnen. Vor allem die Grund- und Notfallversorgung auf dem Lande ist dadurch gefährdet.“

Klaus Emmerich, Klinikvorstand im Ruhestand:
„Die Länder haben sich vom Bund erpressen lassen und einen Blankoschek unterschrieben. Damit kann Lauterbach mit der systematischen Schließung der Kliniken beginnen.“
Emmerich weiter: „Dieses Gesetz ist eine Mogelpackung. Es definiert die Qualität der medizinischen Versorgung über Strukturmerkmale, zum Beispiel Behandlungsmengen komplexerer Eingriffe. Das hat mit wohnortnaher Grundversorgung nichts zu tun. Auf Grundlage des Gesetzes werden viele kleine wohnortnahe Krankenhäuser geschlossen werden.“


Hier die Auflistung aller Krankenhäuser (erstellt durch die »Aktionsgruppe Schluss mit dem Kliniksterben in Bayern«), die seit der Jahreswende 2023/2024 bedroht sind mit ihren Auswirkungen:

  • Am 1.3.2024 schließt das Allgemeinkrankenhaus in Schongau.1 Gut 28.000 EinwohnerInnen sind dann von einer wohnortnahen klinischen Versorgung einschließlich Notfallversorgung binnen 30 Fahrzeitminuten abgeschnitten.2
  • Am 1.4.2024 schließt das Allgemeinkrankenhaus in Selb.3
  • Die Kliniken Nordoberpfalz AG planen drastische Einschnitte ihrer Klinikstandorte Kemnath und Tirschenreuth. Insbesondere die durchgehende stationäre Notfallversorgung steht zur Disposition.4 Im Falle einer Umsetzung sind gut 33.000 EinwohnerInnen im Raum Kemnath5 und gut 11.000 EinwohnerInnen im Raum Tirschenreuth in der Nacht und am Wochenende von einer stationären Notfallbehandlungen binnen 30 Fahrzeitminuten abgeschnitten.6
  • Die Allgemeinkrankenhäuser in Mainburg und Kösching mit stationärer Notfallversorgung sollen in ein ambulantes Gesundheitszentrum ohne Notfallversorgung bzw. eine Fachklinik ohne Notfallversorgung umgewandelt werden.7 Im Falle einer Umsetzung sind gut 42.000 EinwohnerInnen im Raum Mainburg8 und gut 11.000 EinwohnerInnen im Raum Kösching von einer stationären Notfallbehandlungen binnen 30 Fahrzeitminuten abgeschnitten.9
  • Das Allgemeinkrankenhaus Alzenau mit Notfallversorgung soll in eine Fachklinik ohne Notfallversorgung umgewandelt werden.10
  • Der bayerisch-thüringische Klinikverbund Regiomed hat am 2.1.2024 Insolvenz angemeldet.11 Im Falle einer Schließung der betroffenen bayerischen Klinikstandorte Coburg, Neustadt und Lichtenfels sind knapp 10.000 EinwohnerInnen im Raum Coburg12 und gut 1.000 EinwohnerInnen im Raum Lichtenfels von einer klinischen Behandlung und/oder stationären Notfallbehandlungen binnen 30 Fahrzeitminuten abgeschnitten.
  • Das Allgemeinkrankenhaus Wegscheid mit Notfallversorgung soll in ein internistisches Krankenhaus ohne Niotfallversorgung umgewandelt werden. Betroffen sind gut 20.000 EinwohnerInnern mit Entfernungen von mehr als 30 Fahrzeitminuten zum nächstgelegenen Allgemeinkrankenhaus mit Notfallversorgung.14
  • Die Krankenhäuser in Dinkelsbühl sowie in Rothenburg ob der Tauber oder deren Notfallversorgung stehen zur Disposition. Dies träfe 25.200 bzw. 27.200 EinwohnerInnen mit Entfernungen von mehr als 30 Fahrzeitminuten zur nächsten stationären Notaufnahme.15
  • Sollte das baden-württenbergische insolvente Rotkreuzkrankenhaus Wertheim an der Grenze zu Bayern tatsächlich schließen, träfe dies in bayerische EinwohnerInnen mit mehr als 30 und 40 Fahrzeitminuten. Insgesamt hätten 49.800 EinwohnerInnen unzumutbare Entfernungen zum nächstgelegenen Allgemeinkrankenhaus mit Notfallversorgung.16
  • Der Klinik Oberstdorf droht der Entzug der internistischen Notfallversorgung, nachdem die chirurgische Notaufnahme bereits geschlossen wurde.17 Gut 2.600 Einwohner bräuchten dann zukünftig mehr als 30 und 40 Fahrzeitminuten zur nächsten klinischen Notfallversorgung.

Mehr als 30 Fahrzeitminuten zum nächstgelegenen Allgemeinkrankenhaus einschließlich stationärer Notfallversorgung gelten als unzumutbar und bei eskalierenden Krankheitsverläufen bzw. traumatischen Verletzungen ggf. als lebensentscheidend. Deshalb hat der Gesetzgeber einen Sicherstellungszuschlag verordnet, den der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) als Richtlinie erlassen hat.18

Fassen wir die ab 2024 drohenden oder bereits beschlossenen Einschnitte in die bayerischen Krankenhäuser zusammen, werden schlimmstenfalls 261.100 EinwohnerInnen, d.h. ¼ Millionen bayerische EinwohnerInnen von einer bedarfsnotwendigen wohnortnahen klinischen Versorgung bzw. Notfallversorgung abgeschnitten.


1 Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern, Krankenhaus Schongau, https://schlusskliniksterbenbayern.jimdofree.com/kliniken-in-not/geplante-klinikschlie%C3%9Fungen/krankenhaus-schongau/
2 GKV-Kliniksimulator, Krankenhaus Schongau, https://www.gkv-kliniksimulator.de/downloads/simulation1/Praesentation_GVE_2023_317100.pdf
3 Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern, Krankenhaus Selb, https://schlusskliniksterbenbayern.jimdofree.com/kliniken-in-not/geplante-klinikschlie%C3%9Fungen/klinik-selb/
4 Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern, Der Protest in Tirschenreuth, https://schlusskliniksterbenbayern.jimdofree.com/kliniken-in-not/geplante-klinikschlie%C3%9Fungen/kemnath-und-tirschenreuth/
5 GKV-Kliniksimulator, Krankenhaus Kemnath, https://www.gkv-kliniksimulator.de/downloads/simulation1/Praesentation_GVE_2023_327000.pdf
6 GKV-Kliniksimulator, Krankenhaus Tirschenreuth, https://www.gkv-kliniksimulator.de/downloads/simulation1/Praesentation_GVE_2023_388901.pdf
7 Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern, Klinikschließung Mainburg, https://schlusskliniksterbenbayern.jimdofree.com/kliniken-in-not/geplante-klinikschlie%C3%9Fungen/mainburg/
8 GKV-Kliniksimulator, Krankenhaus Mainburg, https://www.gkv-kliniksimulator.de/downloads/simulation1/Praesentation_GVE_2023_318000.pdf
9 GKV-Kliniksimulator, Krankenhaus Kösching, https://www.gkv-kliniksimulator.de/downloads/simulation1/Praesentation_GVE_2023_313501.pdf
10 Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern, Alzenau Aufgabe der Notaufnahme und Umwandlung Fachklinik, https://schlusskliniksterbenbayern.jimdofree.com/kliniken-in-not/geplante-klinikschlie%C3%9Fungen/alzenau-aufgabe-der-notaufnahme-und-umwandlung-fachklinik/
11 Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern, Regiomed: Coburg Neustadt Lichtenfels Insolvenzantrag gestellt, https://schlusskliniksterbenbayern.jimdofree.com/kliniken-in-not/sonstige-bedrohungen/regiomed-coburg-neustadt/
12 GKV-Kliniksimulator, Klinikum Coburg, https://www.gkv-kliniksimulator.de/downloads/simulation1/Praesentation_GVE_2023_328300.pdf
13 GKV-Kliniksimulator, Klinikum Lichtenfels, https://www.gkv-kliniksimulator.de/downloads/simulation1/Praesentation_GVE_2023_329600.pdf
14 Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern, Krankenhaus Wegscheid, https://schlusskliniksterbenbayern.jimdofree.com/kliniken-in-not/geplante-klinikschlie%C3%9Fungen/notfallversorgung-krankenhaus-wegscheid/
15 Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern, Anregiomed Dinkelsbühl und Rothenburg, https://schlusskliniksterbenbayern.jimdofree.com/kliniken-in-not/sonstige-bedrohungen/anregiomed-dinkelsb%C3%BChl-und-rothenburg/
16 Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern, Krankenhaus Wegscheid, Rotkreuzklinik Wertheim insolvent – knapp 50.000 EinwohnerInnen bedroht, https://schlusskliniksterbenbayern.jimdofree.com/kliniken-in-not/geplante-klinikschlie%C3%9Fungen/rotkreuzklinik-wertheim/
17 Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern, Oberstdorf Notfallversorgung, https://schlusskliniksterbenbayern.jimdofree.com/kliniken-in-not/geplante-klinikschlie%C3%9Fungen/oberstdorf-notfallversorgung/
18 Gemeinsamer Bundesausschuss, Regelung des Gemeinsamen Bundesausschusses für die Vereinbarung von Sicherstellungszuschlägen gemäß § 136c Absatz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V), https://www.g-ba.de/downloads/62-492-2312/SiRe-RL_2020-10-01_iK_2020-12-09.pdf

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