Personen: Inga Söldner, Semira Bertram und Raimund Kant im Biergarten des Gasthof Alpenblick am Staffelsee
R: Also, ihr zwei, ich hab jetzt einen kapitalen Hunger. (lässt sich auf eine der Bänke fallen)
I: Ich auch. Die letzten Kilometer von Huglfing herauf waren echt hart.
S: Aber wirklich! Der Raimund, Inga, verwechselt eine Radtour zu gerne mit einem Radrennen.
I: Kommt mir auch so vor. Dabei hatte ich nicht nur sein Tempo zu verkraften, sondern auch die Oxfam-Studie zum CO2-Ausstoß der Reichen in unserem Land, die mir ausgerechnet beim Vorbeifahren an der Huglfinger Kirche in den Kopf geschossen ist.
S: Ach, du Arme! So etwas belastet natürlich zusätzlich.
R: Nicht zuletzt deshalb, weil wir von der »Letzten Generation« absolut keine Mittel zur Verfügung haben, um gegen diesen unfassbaren Missstand anzukämpfen.
I: Ja, und das lässt mich schier durchdrehen, dass wir den Hauptverantwortlichen für das Unheil, das auf uns junge Menschen zukommt, nicht an den Karren fahren können, diesem einen Prozent in unserem Volk, das mit seiner Lebensführung unsere Zukunft 15-mal so stark gefährdet, wie die wirtschaftlich schwache Hälfte der Bevölkerung in unserem Land zusammen. Ich darf ja eigentlich gar nicht daran denken, denn das umweltfeindliche, ja menschenfeindliche Verhalten der Reichen lässt mich nicht nur schier durchdrehen, sondern drängt mich auch schwer in Richtung Radikalität.
S: Unser neues Mitglied, der Christian Hansen, sagt deshalb, dass wir für unsere Zukunft nur etwas bewirken können, wenn wir vor die Tore der Hauptverantwortlichen ziehen und dort anhaltend demonstrieren. Wir dürfen in der Presse nicht mehr als Klimakleber und Kunstschänder erscheinen, sondern als Ankläger, als junge Bürger, die die Wurzeln der großen Umweltschädlinge ausreißen wollen.
R: Ich denke im Grunde auch so. Vor allem könnten wir mit so einem Vorgehen beim Volk eher auf Verständnis für unser Anliegen stoßen. Ja, wir sollten es unbedingt schaffen, dass vor allem die Großen im Lande ihren Lebensstil im notwendigen Maße ändern; das breite Volk würde dann ganz sicher mitziehen.
S: Das ist eine sehr schöne Hoffnung, Raimund. Aber da ist ein großes Problem dabei. Die Tore der Großen, der wirklich Verantwortlichen, sind für uns schwer aufzufinden. Diese Leute leben versteckt, leben in Anonymität, manche im Ausland; und sie alle sind sehr gut geschützt. Setzt du dich vor so ein Tor und rollst ein großes Banner aus, dann ist in drei Minuten die Polizei da, um einen Hausfriedensbruch zu vereiteln.
I: Und ich meine darüber hinaus, dass unser Land wie ein riesiges Schiff unterwegs ist, das seine Fahrtrichtung trotz der Grünen auf der Kommandobrücke nicht groß ändern wird, weil es auf die vielen Signale, die die Natur seit Langem aussendet, viel zu träge reagiert. Das Land hat sich festgefahren, Raimund, es ist bewegungsunfähig. Man will unverändert eine Wirtschaftsaktivität erhalten, ja ausbauen, die weit über die Sicherung der elementaren Lebensbedürfnisse unserer Spezies hinausgeht. Man will unbedingt einen absolut überzogenen und zukunftsunfähigen Lebensstil beibehalten.
R: So ist es, Inga. Aber wir dürfen trotzdem nicht aufgeben, wir sollten nicht in die Rolle träger Zuschauer verfallen. Wir würden uns mit so einer Reaktion selbst Schaden zufügen.
S: Okay, Raimund. Auch wenn es nicht einfach werden wird, sollten wir dennoch unsere Aktionen ab sofort breiter anlegen und wenigstens versuchen, die großen Gefährder unserer Zukunft massiv anzuprangern und damit auch dem Volk vor Augen führen, dass wir vor allem mit dem Lebensstil der Reichen nicht einverstanden sind.
R: Okay, Semira, gut gesprochen. Aber jetzt lege ich größten Wert darauf, dass wir uns dem tollen Biergarten-Angebot zuwenden und nur mehr den traumhaften Blick auf den See und die Alpen genießen.
Guggera
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Es ist so, Geld ist eines der wichtigsten Ziele geworden. Das Schicksal will es aber, dass Bilder in uns, gegen etwas gerichtet, erst sehr deutlich in uns entwickelt werden, dann aber genauso wirkmächtig sind wie alles andere, was wir denken. Fortschritt bedeutet es erst, wenn wir nur noch, nach dem Erkennen des Schlechten, die anstrebenswerten Ziele, und nur die, ins Auge fassen. »Ich will nicht …« erzeugt genau das, was wir nicht wollen. Siehe Artikel hier »Europäische Union« oder »Wählen gehen«.