Die Schere

Constanze und Raimund Messmann mit Moritz Sonnauer während der Brotzeit auf einer Skitour im Ammergebirge

C: Wenn ich über die glitzernden Hänge der Hörnle-Berge ins gleißend helle Ammertal hinunterschaue, kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, dass irgendetwas schöner sein kann.

M: Kann ich mir auch nicht vorstellen.

C: Und trotzdem gibt es Menschen, die der materielle Reichtum mehr freut.

M: Kommt mir manchmal auch so vor, Stanzi. Aber sag, wie kommst ausgerechnet hier auf sowas?

R: Seit sie Betriebswirtschaft studiert, ist die Einkommensverteilung ihr Hauptthema.

M: Oha! Aber Stanzi, die Einkommensverteilung ist doch ein Thema, das die Menschheit seit Jahrtausenden umtreibt; ein Thema, das – zugegeben – seit einiger Zeit möglicherweise immer kritischer wird.

C: Nicht möglicherweise, Moritz, sondern es wird ganz sicher immer kritischer! Vielleicht war die Situation vor Jahrhunderten ähnlich, aber derzeit treiben wir weltweit auf einen Höhepunkt zu.

M: Okay, okay. Grad der Ukraine-Krieg zeigt deutlich auf, dass die Mehrzahl der Menschen am Existenzminimum lebt, während in aller Welt Abertausende nicht wissen, wohin mir ihrem vielen Geld.

C: Eben! Und das Geld, das diese Leute oft genug zum Nachteil der Mehrheit anlegen, ist zum größten Teil nicht mit eigener Hände Arbeit erworben, sondern zu dem gelangen sie, indem sie die Erlöse aus der Arbeit der Masse anzapfen.

M: Und wie willst du das ändern?

C: Du, wir haben eine Studentengruppe gegründet, die sich mit der extrem weit geöffneten Einkommensschere nicht mehr länger abfinden will, die in Zusammenarbeit mit Gewerkschaftern und Finanzleuten unter anderem ein Konzept für die Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand entwickeln möchte und Einfluss auf das Steuerwesen gewinnen will. Wir wollen erreichen, dass die Wertschöpfung aus Arbeit in Zukunft zur Gänze dem arbeitenden Volk zugutekommt.

M: Investoren sollen also in Zukunft die Werktätigen sein, wenn ich dich richtig verstehe.

C: Das ist unser großes Ziel.

R: Die Gruppe ist vor einem Jahr mit etwa zwanzig Leuten gestartet, und vor ein paar Tagen waren sie schon über fünfhundert. Diese Revoluzzer, Moritz, erhalten von allen Seiten Zulauf.

M: Eine Revolution wird wohl notwendig sein, wenn man Arbeit und Einkommen wertmäßig zusammenbringen will. Du, Stanzi, habt ihr eigentlich schon einmal überlegt, dass euch die Reichen und Superreichen locker gewaltige Prügel zwischen die Beine werfen können und dass diese Leute die Politik im Grunde voll in der Hand haben?

C: Haben wir, Moritz. Dieser Punkt steht immer am Anfang unserer Treffen.

M: Ach, noch was: Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand wurde doch schon einmal angestrebt und ist kläglich gescheitert.

C: Ist uns auch bekannt. Das ist damals gescheitert, weil man an die Sache zu oberflächlich heranging und die gesellschaftlichen Verhältnisse noch nicht so dramatisch zu Lasten des Volks entwickelt waren, wie das heute der Fall ist. Heute leben wir nicht mehr in einer halbwegs intakten Demokratie, sondern in einer Diktatur des Großkapitals, der wir schnellstmöglich ein Ende setzen wollen.

R: So, ihr zwei, ich wäre dafür, dass wir uns jetzt für die Abfahrt fertigmachen.

C: Ich auch. Ja, und ich bitte euch, dass ich wieder als Letzte fahren darf, weil ich die Pulverschneefahnen so gerne sehe, die ihr mit jedem Bogen aufsteigen lasst.

M: Aber klar, Stanzi.

Guggera

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