5G-Mobilfunk – das verdrängte Risiko

„Die Wissenschaft, die passt, wird eingekauft und die, die nicht passt, wird bekämpft.“

Diese Feststellung des Journalisten und Publizisten Klaus Scheidsteger in einem Interview mit Prof. Dr. med. Franz Adlkofer, Koordinator der EU-REFLEX-Studie, zieht sich wie ein roter Faden durch die Beurteilungen der Mobilfunk-Technologie.

Auch wenn in den letzten Jahren die Auseinandersetzungen über Nutzen, Risiken und Wirkungen des Mobilfunks heftiger geworden sind, hat sich bisher wenig geändert. Auf der einen Seite sitzen Politik und Wirtschaft in einem Boot und schwärmen vom Nutzen dieser Technik. Sie versuchen »mit Macht und Geld« immer wieder jede Kritik daran im Keim zu ersticken. Dies gelingt vor allem dadurch, dass sich die Politik in der Diskussion über die biologischen Wirkungen von Funkstrahlung von einer international bestens vernetzten Gruppe von Wissenschaftlern unterstützen lässt, deren »wissenschaftliche Arbeiten« von der Industrie finanziert werden.

Mehr zu diesem Thema zeigen vor allem auch Gerichtsentscheidungen in Frankreich, Großbritannien und Italien. In seinem zu Beginn des Jahres 2020 veröffentlichten Urteil bestätigte beispielsweise das Berufungsgericht in Turin den Zusammenhang zwischen Handy-Nutzung und Gehirntumoren.

Wie eingangs bereits erwähnt, hat die EU-REFLEX-Studie bei Mobilfunkindustrie, Politik und Rechtsprechung wenig Begeisterung hervorgerufen. Seit Jahren versuchen von staatlichen und industriellen Interessen geleitete Arbeiten, Ergebnisse dieser Studie zur Gentoxizität von Mobilfunkstrahlung in Zweifel zu ziehen. Die an dieser Studie beteiligten Wissenschaftler mussten sich sogar gegen den Vorwurf der Fälschung zur Wehr setzen.

Als bahnbrechendes Urteil hierzulande kann deshalb – nach etwa 12 Jahren der Auseinandersetzung – die Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgericht Bremen zur »EU-Reflex-Studie«bezeichnet werden. Über viele Jahre sind die Ergebnisse dieser Studie und ihre wissenschaftliche Bedeutung aufgrund der von Prof. Alexander Lerchl erfundenen, weltweit verbreiteten Fälschungsgeschichte zu Unrecht missachtet worden. Weil Lerchl den Beweis für die Fälschung nicht erbringen konnte, wurde er 2015 vom Landgericht Hamburg und 2019 noch einmal vom Hanseatischen Oberlandesgericht Bremen auf Unterlassung der Fälschungsbehauptung verurteilt. Dies rechtfertigt die Forderung, dass die Ergebnisse der EU-REFLEX-Studie ihre ursprüngliche wissenschaftliche Bedeutung zurückerhalten müssen. Sie tragen wesentlich zu der immer noch nicht abgeschlossenen Diskussion über die biologischen Wirkungen der Mobilfunkstrahlung bei.

Dazu noch einige Anmerkungen von Prof. Franz Adlkofer aus seinem „allerletzten Auftritt“:

Warum hat Professor Lerchl, 4 Jahre nachdem die REFLEX-Studie abgeschlossen war, die Behauptung aufgestellt, die Daten seien gefälscht. Da muss es doch einen Grund geben dafür. Der Grund ist ganz einfach der: Die REFLEX-Ergebnisse bedrohten seiner Meinung nach die Mobilfunkindustrie und mussten deshalb aus der Welt geschafft werden.“ (…) „Ich hatte bei dieser Studie sogar die Mobilfunkindustrie eingeladen mitzuarbeiten. Sie hat das mit der Begründung abgelehnt: »Was Sie vorhaben, ist das Öffnen der Büchse der Pandora«.“ (…) „Dieses Vorhaben wurde von der Industrie als zu bedrohlich angesehen, so dass sie versuchte, das zu verhindern.“

Am Schluss des Interviews mit Klaus Scheidsteger sagte Prof. Adlkofer: „Ich habe mich sehr zusammennehmen müssen, dass ich das heute gemacht habe. Es ist der allerletzte Auftritt in dieser Sache in der Öffentlichkeit.“ (…) „Ich fühlte mich verpflichtet, das noch zu machen. Und jetzt ist Schluss.“ (Anmerkung: Franz Adlkofer starb am 18. Juli 2022 im Alter von 86 Jahren.)

Dogmen & Glaubenssätze

Der renommierte Physiker und ehemaliges Mitglied des Europäischen Parlaments Klaus Buchner stellt in einem Interview mit Klaus Scheidsteger zur Mobilfunk-Politik und zu 5G u. a. Folgendes fest: „Politikerinnen und Politiker sollten endlich wissenschaftliche Erkenntnisse wahrnehmen.“ Buchner stellt zudem klar: „Die unabhängigen Arbeiten haben sehr viele, sehr kritische Dinge festgestellt, die von der Industrie finanzierten Arbeiten sehen zum größten Teil eigentlich keine Gefahr.“ Da gebe es das „Dogma“, also den „Glaubenssatz“, dass nur eine zu starke Erwärmung Schäden verursachen könne. Das sei natürlich „absoluter Unsinn“ und dafür gebe es „keine wissenschaftliche Begründung“, sagt Buchner.

Was Buchner besonders beschäftigt, sind die Feststellungen von Gehirntumoren, speziell die Gliome, die durch Mobilfunkstrahlung entstehen können. Gliome seien bis in die 1980er Jahre eine sehr seltene Krebsart gewesen. Mit Einführung des Funks, speziell der Schnurlos-Telefone und etwas später der Handys seien allerdings diese Krebsfälle rapide angestiegen. Er verweist dazu auch auf Studien aus Frankreich und Großbritannien. Interessant sei hierzu die Erkenntnis, dass die Tumoren genau in dem bestrahlten Teil des Gehirns auftreten.

Wenn man zum Stichwort Gliome Kenntnisse über Ursachen sucht, dann gibt es häufig keine allgemeinen Empfehlungen zur Vorbeugung vor Gliomen. Des Öfteren findet man, dass die Ursachen für Gliome noch weitgehend unbekannt seien. Allerdings bestehe aufgrund von Erkenntnissen der WHO „ein gewisses Risiko, durch die intensive Nutzung von Handys an einem Gliom zu erkranken“. Ein weiterer Hinweis lautet: „Im Arbeitsbereich sollte auch ionisierende Strahlung vermieden werden, weil diese nach allen Studien übereinstimmend als hoher Risikofaktor für eine Gliom-Entstehung gilt.“

Die öffentliche Debatte um den neuen Mobilfunkstandard 5G und seine Risiken für die Gesundheit und Umwelt nimmt inzwischen weiter an Intensität zu. In immer mehr Ländern Europas wächst die Kritik. Auch die europäische Bürgerinitiative »Stoppt 5G« bittet nun die EU-Bürger um Unterstützung, damit die erhebliche Zunahme der Strahlenbelastung durch 5G mit »Milliarden neuer Antennen« verhindert werden kann. In ihrer Mitteilung »Verbunden, aber geschützt« heißt es u. a.: „Hartnäckig geleugnet von den Profiteuren und dem Bundesamt für Strahlenschutz führen Mobilfunkstrahlen durch das vermehrte Entstehen von freien Radikalen zu Zellschäden bis hin zu Krebs. Kinder sind besonders gefährdet.“

Besondere Bedeutung gewonnen haben inzwischen auch Initiativen in mehreren Städten, aber auch in kleineren Gemeinden gibt es immer mehr kritische Stimmen. Am 25. Mai 2022 fand eine Informationsveranstaltung der Bürgerinitiative »Brennpunkt 5G Ulm« zum Thema 5G im Ulmer Messezentrum statt. In einem Nachwort formuliert der Sprecher der Initiative Thomas Thraen, Facharzt für Psychosomatische Medizin, einige Gedanken zur Ergänzung der Pro- und Kontra-Debatte und bittet um Kenntnisnahme folgender Gesichtspunkte: „1. Die Deutsche Bundesregierung schützt uns Bürger nicht vor den gesundheitlichen Gefahren durch die Mobilfunk-Technologie. 2. Sie schützt ausschließlich die Interessen der Mobilfunkindustrie.“ Er verweist dabei auf die „weltweit mächtigste Lobbyorganisation der Mobilfunkindustrie“, die ICNIRP. Dabei handele es sich um „eine rein private Wissenschaftlervereinigung ohne jeden amtlichen Charakter oder ein demokratisch gewähltes Mandat“. Die ICNIRP sei keiner Kontrolle unterworfen und niemandem Rechenschaft schuldig. Der Sprecher der Initiative kritisiert die wissenschaftlich nicht haltbaren Grenzwerte, die sich lediglich auf die Gewebebelastung durch Wärmeentwicklung beziehen. Er erläutert u. a. auch seine Auffassung zur Verletzung des Vorsorgeprinzips und spricht über Messungen der Mobilfunk-Belastung in Ulm und Neu-Ulm. Sein Appell an den Oberbürgermeister beginnt mit den Worten: „In Anbetracht dieser Zustände bitte ich Sie aus ärztlicher Verantwortung aus ganzem Herzen: Schützen Sie die Bürger aus Ulm und Neu-Ulm.“ Das etwa 15 Minuten lange Nachwort ist im Internet abrufbar unter https://odysee.com/@Sunwarrior:c/Video-Botschaft-Brennpunkt5G-Ulm-24-06-2022:b

Auch in Köln gibt es eine Bürgerinitiative, die sich »5G-Freies Köln« nennt. Dort beschäftigt sich insbesondere der Raum- und Umweltplaner Prof. Wilfried Kühling mit den Auswirkungen der Strahlung. Er weist in seiner Kritik bezüglich der Grenzwerte u. a. darauf hin, dass die Erfassung der Wärmewirkung ohne die Berücksichtigung biologischer Wirkungen auf Körperzellen keinesfalls zur Bestimmung der Grenzwerte ausreicht. Andere Staaten, so Kühling, hätten „seit Langem sehr viel strengere Grenzwerte, um die Bevölkerung einigermaßen zu schützen“.

Öffentliches Symposium zum Themenbereich 5G im Oktober

Nach dem Internationalen Öffentlichen Symposium im Oktober 2019 im Mainz zum Thema »Biologische Wirkungen des Mobilfunks« veranstaltet die Kompetenzinitiative e.V. in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Museum Düsseldorf eine weitere Tagung zum Themenbereich 5G: Von Goethe zu den Fortschrittsdebatten unserer Zeit. Zur aktuellen 5G / Mobilfunk-Diskussion: Risiken und Perspektiven, 14.-16. Oktober 2022 im Goethe-Museum Düsseldorf.

Das Tagungsprogramm vermittelt unter verschiedenen Perspektiven einen Überblick über den aktuellen Stand der 5G / Mobilfunk-Diskussion. Auf die Vorstellung der soeben abgeschlossenen Pionierstudie ATHEM 3 folgen Vorträge zu den Themenbereichen »Umwelt und Mensch« und »Wissenschaftspolitische und gesellschaftliche Herausforderungen«. Den Abschluss bildet eine Podiumsdiskussion »Perspektiven« mit Vertretern aus Politik und öffentlichem Leben. Für Begegnungen und Gespräche bietet die dreitägige Veranstaltung viel Raum.

Weitere Informationen zur dieser Tagung, die auch im Livestream übertragen wird, gibt es unter https://kompetenzinitiative.com/5g_diskussion_im_goethe_museum_duesseldorf/

Sigi Müller, Schongau

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